Die Dosis macht’s

„Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht‘s, dass ein Ding kein Gift sei.“ Dieses Zitat von Paracelsus lässt sich besonders deutlich in der Wirkung der potenzierten Arznei Arsenicum album beobachten. Allein der Name Arsen ist sofort mit dem tödlichen Gift assoziiert und wir verbinden damit allerlei Vergiftungsmorde aus Kriminalgeschichten wie z. B. „Arsen und Spitzenhäubchen“ oder auch „Der Name der Rose“.
Das metallische Arsen ist ein Element aus der Stickstoffreihe im Periodensystem. Meist ist es in einer Salzverbindung unter anderem mit Schwefel oder Antimon gebunden in der Erdkruste vorhanden. Natürlich kommt es jedoch selten vor.

Albertus Magnus gilt als erster Hersteller reinen Arsens (um 1250)

Der Name stammt vom griechischen „arsenikon“, welches das gelbe Auripigment beschreibt, eine Verbindung von Arsen und Schwefel, die „Arsenblende“ oder „Rauschgelb“. Als „Königsgelb“ war es besonders bei holländischen Malern populär.
Die Leitsymptome der potenzierten Arznei Arsenicum album (Weißes Arsentrioxid), spiegeln nicht nur die Vergiftungszeichen mit Arsen wieder, sondern stammen auch aus der Arzneimittelprüfung, die schon von Samuel Hahnemann durchgeführt wurde.
Zusätzlich aufgelistet aus all den mit Arsenicum album geheilten Fällen, die sich in der Materia Medica wiederfinden.
Zwei Themen können ganz allgemein die besondere „Energie“ von Arsen verdeutlichen:

Konservierung:
Kleine, regelmäßigen eingenommenen Dosen Arsenik haben noch im vorletzten Jahrhundert den Waldarbeitern in der Steiermark und Tirol zu mehr Leistung und Durchhaltevermögen verholfen, es war allgemein als „Hüttenrauch“ od. „Hittrach“ bekannt. Die „Arsenesser“ versprachen sich die ewige Stärke, auch Frauen verwendeten Arsen die “ewige Jugend“ erhoffend. Arsen verbessert die Korrosionsresistenz bei Kupfer, es wurde zur Konservierung von Tierhäuten, als Holzschutzmittel und als Fixiermittel für Textilfarbstoffe benutzt.
Körper, die mit Arsen vergiftet wurden, mumifizieren!
„Arsen-Typen“, so beschreiben wir vereinfacht die Personen, für die evtl. Arsen als Arznei in Frage kommt, wollen materielle Dinge bewahren und den aktuellen Status beibehalten. Im Besonderen gilt dies für Gesundheit, Besitz, Kraft, Beziehungen etc. Sie sind sehr ehrgeizig und geradezu pingelig ordnungsliebend.

Silbrig glänzende Arsenkristalle von Rob Lavinsky, iRocks.com – CC-BY-SA-3.0, CC BY-SA 3.0

Zerfall, Niedergang, Verwesung, Tod:
Arsen ist eine staubförmige Substanz. „Staub zu Staub“ oder „Asche zu Asche“ sind eine Analogien, die auf die unausweichliche Vergänglichkeit verweisen. Der Einsatz als Unkrautvernichtungsmittel, Insektizid oder Rattengift ist wegen der toxischen Eigenschaften weit  verbreitet gewesen, heute jedoch sehr umstritten aber dennoch in manchen Ländern immer noch im Gebrauch.
Vergiftete verströmen Fäulnisgeruch, ein spezifischer Knoblauchgeruch, des Weiteren setzen in ihrem Körper destruktive, verwesende Prozesse ein, in der Folge mit Verhärtungen und Austrocknung.
„Arsen-Typen“ beschäftigen sich besorgt mit Fragen rund um das Thema „Tod“. Dies geschieht bewusst oder vollkommen unbewusst, mit einer innerlich gespürten Unruhe, wie sie bei Sterbenden entstehen kann.

Die tiefe Wirkung dieser Arznei auf alle Gewebe und Organe und seine klar umrissenen, charakteristischen Symptome und deren Entsprechungen für viele ernsthafte Erkrankungen machen die homöopathische Verwendung so erfolgreich.

Die zentralen Leitsymptome sind im Besonderen:
Eine ausgeprägte Schwäche und Erschöpfung, mit geringer Lebenskraft. Ein Kältegefühl mit großem Bedürfnis nach Wärme, „will nicht vom Ofen weg“. Die Ruhelosigkeit äußert sich entweder im Umhergeistern (wechselt ständig den Ort) oder innerlich mit einer Verzweiflung und Empfindlichkeit gegen Unordnung.
Die nächtliche Verschlimmerung entspricht der Geisterstunde um Mitternacht, wo es in den meisten Krankheitsfällen zu einem dramatischen Höhepunkt in der Krise kommen kann.
Die häufigste Schmerzqualität ist ein inneres Brennen.

Die schwer erkrankte Valentine Godé-Darel, ein halbes Jahr vor ihrem Tod. Gemälde von Ferdinand Hodler, Juni 1914

Das innere Erleben ist hoffnungslos und dunkel. Der Kranke erwartet immer das Schlimmste und spürt seine Fähigkeiten schwinden, dieses abzuwenden. Es ist mit dem Bild einer Person zu vergleichen, deren innere Verteidigung schwach ist. So entsteht das Gefühl, als ob einem etwas Eigenes weggenommen wird und man fühlt sich zu schwach oder zu alt, um sich dagegen zu schützen. Dies ist gerade so, wie das Gefühl als seien die Räuber bereits im Haus und die Dinge geraten außer Kontrolle.

Es müssen mitnichten immer extreme Krankheiten sein, wie man hier vermuten könnte. Die Arznei hat sowohl bei Hauterkrankungen, akuten Asthmaanfällen, Lebensmittelvergiftungen oder Magen-Darm-Infekten, als auch bei Grippe eine große Bedeutung und ist deshalb auch in den kleinen Taschenapotheken zu finden. Aber auch in der Phase am Ende eines Lebens kann sie große Dienste tun.

Rathausuhr um 0:00 Uhr (Marburg), Ludwig Sebastian Micheler – Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0

Es sollten die jeweiligen Krankheitssymptome bis in die tiefste Ebene verstanden werden, damit die Botschaft der ähnlichsten Arznei als Spiegelung sozusagen wie ein sanftes Pusten von der Lebenskraft „verstanden wird“.