Vieles ist nicht mehr so wie es einmal war. Durch die Klimaveränderung schlägt das Wetter Kapriolen und von diesen haben wir in diesem Winter mit den frühlingshaften Temperaturen und dem fehlenden Schnee einiges erlebt. So verwundert es auch nicht, dass die „Heuschnupfenzeit“ schon im Winter begann. Die Krankheitszeichen des allergischen Heuschnupfens konnten zwischen Allergie- und Grippesymptomen nicht mehr so richtig unterschieden werden.
Wenn wir uns die Symptome, die sich „alle Jahre wieder“ (s. Artikel von April 2015) zeigen, näher betrachten, dann erscheint eventuell eine im jeweiligen Fall durchscheinende Ähnlichkeit.
Dieses Bild der Ähnlichkeit zu erkunden und dafür wiederum die ähnlichste Entsprechung im Wesen einer homöopathischen Arznei zu verordnen ist des Homöopathen Praxis.
Hier möchte ich auf drei Vertreter der „Heuschnupfen-Arzneien“ aus der Familie der Liliengewächse eingehen:
Allium cepa
Am geläufigsten ist wohl die Küchenzwiebel, deren reizende Wirkung in Auge und Nase vom Schälen und Schneiden in der Küche jedem bekannt ist. Kennzeichnend ist dieses Brennen in den Augen mit den milden Tränen, wohingegen die Absonderungen aus der Nase wund machend sind. Der Schnupfen ist scharf und reizt Lippen und Mund. All dies ist im warmen Raum schlimmer. Wir haben diese Erfahrung sicherlich schon alle einmal beim Kochen gemacht.
Was unter anderem noch zur Küchenzwiebel gehört ist, dass die Reaktion von zu viel Zwiebelessen Schlaflosigkeit, Lethargie sowie Schläfrigkeit und Schlafsucht zur Folge haben kann. Diese Wirkung auf das Gehirn war der Grund, warum die Küchenzwiebel im Altertum nicht viel gegessen wurde.
Die Angriffspunkte dieser Arznei sind Augen, Nase, Kehlkopf und Eingeweide mit einer vermehrten Sekretion. Aber sie hat eben auch einen Bezug auf das Gehirn und Nerven. Dadurch findet sie z.B. bei neuralgischen Schmerzen nach Verletzungen, sowie Phantomschmerz nach Amputationen als Heilmittel besondere Anwendung.
Die Arznei passt besonders, wenn bei diesen ähnlichen Heuschnupfen-Symptomen auch noch ein phlegmatisches Temperament zu beobachten ist!
Der innere Zustand zeigt sich, indem etwas herausmuss, unter Umständen auch mit Ärger und Wut.
Sabadilla officinalis
Auch das mexikanische Läusekraut hat eine deutliche Wirkung, die der Heuschnupfen Symptomatik ähnelt. Wir haben gerötete Augen mit viel Tränenfluss, krampfhafte Nießanfälle mit Nasejucken und auch dieses typische Jucken am Gaumen, eine verstopfte Nase oder reichlich Fließschnupfen.
Der Name deutet schon an, dass es bei Parasitenbefall jeder Art verwendet wurde. Die reflexhaft bedingten Symptome davon sind bei Kindern oft die einzigen Krankheitszeichen bei Wurmbefall: verstopfte und juckende Nase, Bauchkrämpfe, Koliken mit Durchfall.
Es gibt viele fixe Ideen, so wie eine Täuschung über den Zustand des eigenen Körpers. So entsteht z.B. eine hypochondrische Vorstellung, dass ohne objektive Grundlage ein erlebter Leidensdruck besteht.
Hier spüren wir das nervöse, scheue, leicht irritierbare Temperament, bei dem das Denken an die Beschwerden schon eine Verschlimmerung mit sich bringt oder diese sogar erzeugt. Ein besonderes Symptom verdeutlicht dies in besonderer Weise: bereits das Denken an Blumenduft kann vermehrte Nasensekretion auslösen!
Es ist interessant, dass sowohl Sabadilla wie auch Allium cepa auch bei der Wundbehandlung von Bedeutung ist.
Wir haben ein Wechsel von euphorischen Phasen mit übermäßiger Fröhlichkeit und Phasen von Gleichgültigkeit und Stumpfheit.
Squilla maritima
Die Meerzwiebel sei hier auch erwähnt wegen ihrer besonderen Wirkung auf die Schleimhäute des Atemtraktes und des Verdauungssystems, sowie auf die Nieren. Eine auffallende Beziehung zu Wasser ist, weit über ihre Herkunft aus dem Mittelmeergebiet hinaus, zu erkennen.
Die Augen fühlen sich gereizt an mit dem Gefühl als ob sie in Wasser schwimmen würden. Auch ein schwappendes Gefühl im Kopf kann empfunden werden. Es gibt viel vermehrte Absonderungen aus allen Körperöffnungen, so wie strömende Tränen beim Niesen oder Husten, unfreiwillige Harnentleerung während eines Asthmaanfalls. Auch besonders starker Speichelfluss während des Heuschnupfens.
Jucken der Augen, Schnupfen mit wundmachenden Absonderungen, Bronchitiden mit viel Auswurf sind Symptome, die sie als Heuschnupfen-Arznei ausweist, mit einer Ähnlichkeit zur Küchenzwiebel und auch zum Läusekraut.
Nicht nur in der letzten Grippe-Periode hat sich Squilla maritima als wertvolle Arznei erwiesen. Hier war die besondere Symptomatik Fließschnupfen und ein gereizter Hals mit trockenem Husten, sowie große Atemnot mit schmerzhaften Stichen in der Brust.
Die botanische Verwandtschaft in der Pflanzengruppe der Lilienartigen ist im Wesenhaften auch in diesen drei Arzneien erkennbar. Sie gehören zu den „Monokotyledonen“, den „Einkeimblättrigen“. Die Liliengewächse haben ein unter der Erde sitzendes Speicherorgan, wie hier die Zwiebeln. Sie dienen dem Wachstum und der im Wasser gespeicherten Kraft, die meist lebhaft gefärbte Blüten hervor bringt.
Auch im Arzneimittel-Wesen können wir Gemeinsamkeiten dieser Lilienartigen feststellen. Das ist ein inneres Erleben wie eine „hinaustreibende Dynamik“, die wahrgenommen wird. Auf der körperlichen Ebene entspricht dies dem Ausscheidungsprozess, der dies beschreibt: herausgedrängt, herausgepresst, egal ob es Tränen, Schnupfen, Husten oder z.B. Stuhl ist. Auf der mentalen Ebene kann ein Gefühl, nicht dazu zu gehören, wie isoliert oder sich ausgeschlossen fühlen, erlebt werden. Um das starke Bedürfnis, Teil einer Gemeinschaft zu sein, zu erfüllen, haben auch ihr attraktives Erscheinen und lebhaftes Verhalten eine besondere Bedeutung. Es geht um das Dazuzugehören und nicht hinausgedrängt werden!
Die Betrachtungsweise der wesenhaften Einzigartigkeit der Arzneimittelbilder in ihrem jeweiligen „Familien-Verbund“ erscheint auf den ersten Blick vielleicht verwirrend. Es erleichtert jedoch, wenn es „spielerisch“ aus verschiedenen Blickwinkeln und Aspekten betrachtet wird, eine möglichst ähnliche Arzneiverordnung. So üben wir z.B. gemeinsam, im Rahmen der monatlich stattfindenden Homöopathie-Abende immer genauere Arzneimittelkenntnisse zu erlangen. Das hat dann nichts mehr mit dem „Try and Error“, einer lediglich auf Symptomen basierenden Behandlung mit Globuli zu tun. Es ist eine ganzheitliche Schulung, mit der Einordnung von Substanzen in ein globales System, um diese dann wiederum in ihrer jeweilig einzigartigen, individuellen Arzneikraft zu differenzieren.
Unter diesem „als Frühlingsanalogie“ betrachteten Phänomen sind diese drei Arzneien mögliche Heilmittel bei Heuschnupfen. Wenn wir die lilienartigen Aspekte in einer Krankengeschichte als durchscheinendes Muster erkennen, ist es nun evtl. leichter, aus einem imaginären „Frühlingsblütenstrauß“ eine passende, heilende Pflanze zielgerichtet heraus zu „ziehen“.