Matricaria chamomilla L.
Es gibt viele Heilkräuter, die von Tieren instinktiv zur Heilung gesucht werden, gerade die Kamille ist bei vielen Tieren ein beliebtes Arzneikraut. Die Eidechsen z.B. kurieren ihre Wunden mit Kamille, nachdem sie im Streit von Schlangen verletzt wurden. Vielleicht kommt ja das erste Arzneiwissen aus dieser Art von Beobachtungen, denn seit alters her gilt diese Heilpflanze als eine der „Vierzehn Nothelfer“ in der eigenen „Kräuterapotheke“.
Der Gattungsname Matricaria stammt aus dem lateinischen „mater“ = Mutter und drückt somit deutlich aus, dass es ein ausgesprochenes Mutterkraut ist. Der Beiname chamomilla kommt aus dem griechischen von „chamai“, was „niedrig wachsender Apfel“ bedeutet und Bezug auf die Form und den Duft der Blüte nimmt. Daher ist auch der deutsche Name Kamille abgeleitet.
Man sagt, dass sie dort wächst, wo sie am meisten zertreten wird, an Wegrändern, auf Schuttplätzen und Ödstellen.
Sie gehört botanisch zu den Korbblütlern (Asteraceae) und wird 30-50 cm hoch. Ihre Erscheinungsform ist luftig und strahlend mit balsamischem Duft. Das Blütenköpfchen ist innen hohl, im Gegensatz zur geruchslosen Hundskamille (Anthemis arvensis).
In der Pflanzenheilkunde ist sie schon immer ein besonders beliebtes Volksheilmittel.
Die nachgewiesenen Wirkstoffe, unter anderem das dunkelblaue ätherische Öl (Azulen), haben beruhigende, entzündungshemmende, desinfizierende, krampflösende und schmerzlindernde Wirkung.
Daher wird die Kamille gern und oft gebraucht bei Koliken, Darmbeschwerden der Kinder, sowie als ausgesprochenes Frauenkraut geschätzt. Sie lindert Schmerzen während der Menstruation und beseitigt so manches Weh zur Zeit der Schwangerschaft und im Wochenbett. Zuletzt rühmt man die Kamille als vortreffliches Wundheilmittel.
Der Kamillentee ist fast jedem ein Begriff, er wirkt Wunder bei Magenkrämpfen, Magenschleimhautkatarrh, Koliken im Magen-Darm-Trakt etc. Als Sud verwendet hellt es die Haare auf, so schwören Frauen immer wieder auf diese natürlichen Anwendungen im kosmetischen Bereich.
Die Kamille wird gerne als Allheilmittel eingesetzt. Bei Überdosierung oder der längerem Gebrauch kann sie jedoch bei empfindlichen Personen zu Beschwerden führen, wie z.B. Magenkrämpfe mit Unwohlsein und Reizbarkeit, ferner Hemmung der Darmperistaltik oder Lähmung der glatten Muskulatur. Das sind dann recht heftige Vergiftungserscheinungen.
Somit bekommen wir langsam eine Vorstellung zu dem homöopathischen Wirkungsbereich der Arznei Chamomilla.
Das homöopathisch hergestellte Arzneimittel ist ein erstklassiges Schmerzmittel, insbesondere wenn die Schmerzen mit fürchterlichem Gejammer und Weinen begleitet werden.
Schon der Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann beschreibt in seinem Werk der ‚Reinen Arzneimittel Lehre‘:
„Überhaupt haben die Chamille-Schmerzen das Eigene, dass sie in der Nacht am wüthensten sind, und dann oft zu einem Grad der Verzweiflung treiben, nicht selten mit einem unablässigen Durste, Hitze und Röthe der einen Backe; auch wohl heißem Kopfschweiße selbst in den Haaren. Die Schmerzen von Chamille deuchten gewöhnlich unerträglich und nicht auszuhalten.“
Es sind die Vergiftungserscheinungen und die Symptome der Arzneimittelprüfung am Gesunden die eine Fülle an Charakteristiken lieferten. Gesammelt und notiert wird es als das Chamomilla-Arzneimittelbild bezeichnet.
Daraus ergeben sich mannigfaltige Indikationen zur Verordnung dieser Arznei, wie z.B.
bei Kleinkindern während der Zahnung, wenn es unruhig und reizbar ist oder wenn es bei jedem Wehwehchen schrill aufschreit, so dass es einem durch Mark und Bein geht. Es will herumgetragen werden, nichts ist recht, ja es kann richtiggehend zornig werden. Oft ist eine Wange gerötet! Es leidet an Darmkoliken, Husten, Ohren Weh, Fieber, Heiserkeit…
Oder auch bei Erwachsenen nach Zahnextraktionen, wenn ungewöhnlich heftige Schmerzzustände anhalten, welche bei Ärger oder nach Kaffeegenuss verschlimmert werden.
Frauen mit wehenartigen, krampfhaften Menstruationsschmerzen, die in den Oberschenkel ziehen, evtl. auch schlimmer nach Zorn. Diverse Schmerzzustände während der Geburt, oder im Wochenbett.
Es sind immer wieder die in dieser Weise emotional beeinflussten Schmerzzustände, die einen an diese Arznei denken lassen. Die lindernde Wirkung wird so befreiend erlebt, dass es schnell vergessen lässt, wie dramatisch das Befinden im Schmerz beschrieben wurde.
Somit ist der oben zitierte Satz von Hahnemann bezeichnend:
Chamomilla ist das Arzneimittel was meist in der Nacht gegeben werden muss, denn ein Kind im „Chamomillazustand“ schreit ein ganzes Haus wach, dann ist es ein Segen, wenn auch diese homöopathische Arznei als „Nothelfer“ in der Hausapotheke ist. So manch eine Mutter kann ein Loblied singen, nachdem „der nächtliche Zahnungszirkus“ überstanden war.
Ein „Nothelfer“ ist schon per Definition in der Not zu rufen und sollte nicht über längeren Zeitraum beansprucht werden, sonst könnte daraus ein krisenhafter Zustand hervorgerufen werden!
Kochler Blattl – Mai 2014