Allgemein spricht man auch von der Auto-, Zug- oder Luftkrankheit, da die Übelkeit des passiven Fahrgastes ihren Ursprung in der begleitenden Bewegung eines dieser Verkehrsmittel hat und so mit den bekannten Symptomen die Diagnose stützt.

So kann es auf Reisen vorkommen, dass man sich benommen fühlt, schneller atmet und zu schwitzen anfängt, was mitunter in dem elenden Zustand der Übelkeit und schließlich mit Erbrechen endet.

Was gerät da bei der Reisekrankheit in uns eigentlich durcheinander und wie können wir uns das erklären?

Hier passiert eine Art Überforderung in Teilen des Innenohrs, im Gleichgewichtsorgan, die uns helfen das Gleichgewicht zu kontrollieren. Diese Irritation oder Überstimulation ähnelt der Art und Weise, wie es z.B. bei zu schneller oder heftiger Bewegung der Fall ist. Dies kann ebenso passieren, wenn das Gehirn widersprüchliche Informationen von den Bewegungsmeldern erhält: den Augen, den Bogengängen des Innenohrs und den Nervenenden in den Muskeln, die Informationen zur Körperposition liefern.

Das Phänomen der Seekrankheit tritt z.B. beim Bootsfahrten auf, wenn das Boot hin und her schlingert, während man auf etwas schaut z.B. eine Wand, eben etwas, das sich nicht bewegt. Dann stimmt das Unbewegte des Sehens und das körperlich gefühlte hin und her Schlingern nicht überein. Diese widersprüchlichen Informationen, kann das Gehirn auch erhalten, wenn man etwas sieht, was sich schnell bewegt, obwohl man selbst ganz stillhält. Wie etwa beim Anschauen eines Videospiels oder einem Film der mit wackelnder Kamera aufgenommen wurde.

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Somit ist deutlich, dass Reisekrankheit im fahrenden Zug oder im Auto in jedem beliebigen fahrenden Fahrzeug auftreten kann. Im Freizeitpark im Karussell, in der Achterbahn oder sogar in der Raumfahrt.

Manche Menschen sind dafür anfälliger als andere. So tritt die Reisekrankheit häufiger bei Frauen und bei Kindern zwischen 2 und 12 Jahren auf. Anfälliger sind auch migräneanfällige Menschen mit einer Entzündung des Innenohrs, oder Frauen mit hormonellen Schwankungen z.B. durch Verhütungsmittel oder während der Schwangerschaft. Wenn es dann heißt, genetische Faktoren können die Anfälligkeit für Reisekrankheit erhöhen, wird es leider von manchen Betroffenen als eine stehende Größe hingenommen.

Hinter diesem Phänomen steht jedoch immer wieder ein individuelles Erleben. So können schlechte Luft, Angst oder Furcht einen großen Einfluss auf die Schwere der Symptomatik haben. Es gibt sehr viele Menschen, die sich schon eine für sie bewährte Strategie angewöhnt haben damit umgehen zu können. Dies sind unter anderem Medikamente gegen Erbrechen, Kaugummi oder das Knabbern von altem, trocknem Brot.

Da die Diagnose Reisekrankheit verschiedene Erscheinungsformen und Begleitsymptome haben kann, müssen wir für eine homöopathische Behandlung immer Individualisieren. Die Wirkungsweise der gewählten Arznei muss ähnlich mit dem Zustand einer erkrankten Person sein, um nach dem Resonanzprinzip zu heilen.

Hier möchte ich nun eine besondere Arznei vorstellen, die in ihrem Arzneimittelbild auch der Symptomatik einer Reisekrankheit entsprechen kann und zwar mit dem existenziellen Erleben, als ob die Welt aus den Fugen gerät!

Es handelt sich um die Samen der Scheinmyrthe (Anamirta cocculus), einem asiatischen Baum aus der Familie der Mondsamengewächse (Menispermaceae). Er wächst in den tropischen Regenwäldern und subtropischen Gegenden. Die Frucht ist steinfruchtartig, hufeisenförmig gebogen und der Same enthält das starke konvulsivische Gift Picotoxin. Sie haben auch den Namen „Fischbeeren“, da sie zum Fischfang dienten, indem man die zerstoßenen Früchte als Pillen ins Wasser warf. Daraufhin wurden die Fische nach dem Verschlucken betäubt und mit taumelnden und windenden Bewegungen, schwindelig, kehrten sie mit der Bauchseite nach oben wieder an die Wasseroberfläche, wo sie leicht mit der Hand gegriffen werden konnten.

Die homöopathische Arznei Cocculus ist aus den potenzierten Kockelskörnern hergestellt.

Im Arzneimittelbild von Cocculus sind nicht nur die betroffenen Organe und Umstände der Erkrankung, wie wir hier erkennen können, sehr ähnlich und prädestiniert für die Behandlung der Reisekrankheit.

Das Grundprinzip, können wir uns tief im Inneren des menschlichen Erlebens folgendermaßen vorstellen: Ein Unfall, ein Unglück mit Zerstörung der Struktur passiert (z.B. Unfall im Fahrzeug, bei dem ein Kind gefährdet ist, ein Erdbeben), während man „abwesend“ ist: schläft, döst, im Halbschlaf ist oder nicht aufpasst.

Die „Cocculus-Persönlichkeit“, bei der diese Faktoren zusammenpassen, entspricht eben einer Person, die schon lange nicht mehr ausreichend geschlafen hat. Mit einem großen Pflichtgefühl gegenüber der Familie und der ihrer Gesundheit. Der Schlafmangel ist chronisch geworden, z.B. durch Nachtwachen oder Pflege Angehöriger. Es entsteht mit der Zeit ein leeres und hohles Gefühl im Kopf. Da ist es nur noch möglich, sich auf einen kleinen Ausschnitt zu konzentrieren und die Augen können sich nicht schnell genug auf bewegte Gegenstände einstellen. Genau wie es bei der Reisekrankheit beschrieben ist. Hier steht jedoch die Übelkeit im Vordergrund. In dieser Überforderung scheint sogar die Zeit viel zu schnell zu vergehen, wie es unter anderem die Folgen von Schlafmangel, Zeitverschiebung bei Flugreisen mit sich bringen. Schon die kleinste Bewegung kann zu einem taumelnden Gefühl, Schwindel führen, wie es sich auch bei dem „Meniére-Syndrom“ zeigt, mit einer deutlichen Beeinträchtigung des Gleichgewichtsorgans.
Wir haben hier sozusagen ein „neurologisches“ Arzneimittel mit lähmungsartiger Schwäche bis hin zu Lähmungen, Taubheitsempfindungen und es treten unter Umständen sogar Parästhesien, wie ein Kribbeln oder „Ameisenlaufen“ auf.

Der Angriffspunkt dieser Arznei liegt im Gehirn und Rückenmark, sowie dem Sensorium (Empfindungsvermögen, Gespür). Es besteht eine leichte Erregbarkeit, welche zu Verwirrung des Kopfes mit Schwindel führt, zu dem dann eine Brechübelkeit hinzukommt.

Die Modalitäten (Begleitumstände) welche zu einer Verschlechterung oder Erleichterung der Symptomatik führen, sind auch sehr eindrücklich. Denn im Grunde ist alles verschlechternd!

Bewegung jede! (Boot, Auto etc.) Geringe Anlässe (Schlafverlust, Anstrengung, Schmerz, Gefühlserregungen); Angst; Kälte, kalte Luft; Essen; während der Menstruation (Hormonelle Schwankung)

Wenn wir nun bei einer „Reiseübelkeit“ jene individuelle „Note“ im Klang der Erkrankung wahrnehmen, dann ist diese Arznei in ihrer Ähnlichkeit eine hilfreiche Entsprechung.

Es gibt noch viele weitere Arzneimittel, die eine spezifische Wirkung bei Reisekrankheit haben. Wie diese untereinander differenziert werden können, ist zu erlernen. Das Studium der Arzneimittelbilder ist jedoch die Grundvoraussetzung, um die Individualisierung im Krankheitsfall vornehmen zu können.

An unseren monatlichen Homöopathie-Abenden üben wir dies zunehmend. Gerne kann ich, wenn Interesse besteht, themenbezogene Unterrichtseinheiten für neue Gruppen anbieten.