Die Furcht, dass jede weitere Veränderung zur Armut führen kann

In Zeiten materieller Krisen, wie wir sie durch die weltweiten Auswirkungen der Covid-19 Pandemie beobachten können, erscheinen manche homöopathische Arzneimittelbilder häufiger angezeigt zu sein. Es sind z.B. die Arzneimittelfamilien, bei denen der materielle Wohlstand und die finanzielle Absicherung von zentraler Bedeutung sind. Die erste Sorge während der Ausbreitung dieser Viruserkrankung galt vorrangig dem Verhindern der Ansteckungsketten und damit der Gesundheit. Nun stehen die wirtschaftlichen Folgen mit ihren unabsehbaren Konsequenzen im Vordergrund. Viele Betriebe sind in ihrer Existenz gefährdet, langjährige Mitarbeiter werden entlassen oder müssen um ihre Anstellung fürchten. Für das Ende des Jahres wird eine Welle von Geschäfts-Insolvenzen prognostiziert. Diese allgemeine, wirtschaftliche Verunsicherung kann unser Immunsystem ungemein schwächen, so dass sich bestehende Krankheits-Beschwerden verschlimmern, auch wenn keine Virusansteckung erfolgt!

Hier das Beispiel eines Gastronomen mit rheumatischen Schüben aus der Praxis:
„Die Geschichte mit dem Shut-down hat mich schier `entwurzelt´. Nun bin ich schon in der dritten Generation im Wirtshaus tief verwurzelt. Jetzt muss ich erleben, dass alles, wofür meine Eltern und Großeltern gearbeitet und gespart haben, mit einem Mal zunichte gemacht worden ist. Ich kann es nicht fassen, jeder Versuch einen Halt zu finden führt ins Leere! Kein Gast, kein Geld, nur Betriebskosten und keine Chance dies erwirtschafte Geschäft zu erhalten.
Ich habe überall Schmerzen, jetzt gerade besonders im Rücken. So rheumatische Schmerzen kenne ich immer schon, das liegt fast in den Genen. Mein Vater und meine Großmutter hatten auch damit zu tun, wobei meine Oma, soweit ich mich erinnere, immer ihren Gicht-Fuß hatte.

Choleriker, allegorischer Putto am Schloss Friedrichsfelde, nach dem Original von Johann Gottfried Knöffler / von Lotse – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Na, jedenfalls jetzt, nachdem ich schlaflose Nächte hatte und nichts anderes in meinem Kopf existiert wie die Frage, wie es mit dem Geschäft weiter gehen kann, ist dieser Schmerz auch in den Kopf gezogen. Das hatte ich früher nur ganz selten mal. Ab und zu, wenn es zu föhnig ist, dann kann ich nur noch in absoluter Ruhe mit geschlossenen Augen daliegen und mir den Schädel halten.
Die Rheumaschmerzen sind immer schleichend gekommen und wenn ich mich dann nicht sofort hingelegt und Ruhe gegeben habe, halfen nur noch Schmerzmittel. Überhaupt ist Ruhe für mich elementar wichtig! Ja, mit der Gastronomie ist das schon so ne Sache, aber wenn es läuft und die Kasse stimmt tut mir das Geschäft richtig gut. Aber wehe es gibt Unstimmigkeiten mit dem Personal, oder ich muss mich aufregen, dann geht es mit mir schon mal durch. Ich bin da eher ein aufbrausendes Gemüt. Meine Frau behauptet sogar, ich wäre cholerisch veranlagt. Aber da gibt es dann immer noch meinen Vater, da ist´s noch heftiger, der kann alle zam`stauchen. Ich dagegen kann den Ärger auch mal runterschlucken.“

Auf die Frage nach den Geschäfts-Sorgen erzählt er weiter:
„Jetzt mit der erzwungenen Schließung unserer Wirtschaft ist die Existenz so massiv bedroht, dass es mir regelrecht den Atem raubt. Die Sorgen um diese Geschäftsangelegenheiten verfolgen mich schon im Traum, das kann doch so nicht mehr weiter gehen! Ich habe Schmerzen im Rücken, kann mich teilweise gar nicht mehr rühren, so sticht es mir da herein. Der Schmerz ist wie eine Wut und die Wut ist wie ein Schmerz!

Die Gicht, Kupferstich von James Gillray, 1799 / Published May 14th 1799. Via copy at, Gemeinfrei

Von einem Bekannten habe ich den Rat bekommen hier mal bei Ihnen vorbei zu schauen. Also, was soll ich noch sagen?“

Wie ist ihr Durst?
Ich trinke eher selten, wenn dann der Durst kommt Wasser, aber auch schon mal Bier.“ Dabei lacht er… „Da ist dann locker schon mal ein Humpen weg!“

Auf die Frage nach `Ruhe´ allgemein, meint er noch:
„Mit Ruhe meine ich nicht, dass es von außen still sein muss, sondern dass alles so läuft, eben `rund´ ist! Wenn es da eine Irritation oder Störung im Ablauf gibt, kommt mir das vor, als ob meine Stabilität ins Wanken gerät. Ja, da habe ich schon große existenzielle Angst vor Armut! Wir haben uns ja so viel aufgebaut und alles dafür getan, dass wir uns immer weiter vergrößert haben, um solide abgesichert zu sein.“

Bryonia alba, Cucurbitaceae, Weiße Zaunrübe, Schwarzbeerige Zaunrübe, Schwarzfrüchtige Zaunrübe, Habitus. Die Wurzel wird in der Homöopathie als Arzneimittel verwendet: Bryonia alba (Bry.) Von H. Zell – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Seine Beschwerden mit der ihm inne liegenden Veranlagung gab den Hinweis auf Bryonia alba, die Zaunrübe. Das ist eine Kletterpflanze aus der Familie der Kürbisgewächse. Wir kennen die Kürbisse aus der Küche. Die Gurke, Zucchini und Melone gehören auch dazu. Es gibt neben diesen essbaren Vertretern aber auch giftige, wie die hier erwähnte Zaunrübe oder die Koloquinte.

Den Kürbisgewächsen (Cucurbitaceae) sowie den homöopathischen Arzneien aus dieser Familie ist folgendes gemeinsam:
Sie haben meist große Früchte, sie klettern oder liegen am Boden, sie können nicht stehen und brauchen somit etwas Festes zum ranken und festhalten. Das Thema Ansammeln finden wir in den dicken Früchten oder Wurzeln als Entsprechung wieder! Es ist die Angst vor Armut, einem Mangel, dass es fürs Leben nicht reicht, was zur Sparsamkeit und zur Anhäufung führt. Übertragen gesprochen sammeln diese Menschen, die eine Arznei der Kürbisgewächse benötigen, auch eine Menge bittere Gefühle, bis der Groll oder die Wut ohnmächtig oder als Schmerz erlebt wird. Statt den Konflikt zu lösen, laufen sie nach Hause in ihre Sicherheit oder ziehen sich in die totale Ruheposition zurück.  Die Ansammlung materieller Güter gibt ihnen eine Sicherheit, welche das Gefühl der Unsicherheit im Hochklettern oder dem haltlosen Gefühl Stabilität verspricht. Es sind sehr bodenständige Menschen, die ihren Wohlstand angesammelt haben und ihre Vitalität an dem messen, wofür sie gearbeitet haben und was sie dadurch erlangt haben. Gefühle werden in der Regel nicht so beachtet oder ausgedrückt. Wenn, dann wird eine Beleidigung abgespeichert. Streit ist dann das bittere Gift, mit dem das Gefühl der unüberwindbaren Krise beginnt.

Hier nun die speziellen Charakteristika der Arznei Bryonia alba:

Weiße Zaunrübe (Bryonia alba), Illustration Gemeinfrei

Die Zaunrübe wächst, wie der Name schon aufzeigt, an Zäunen, das ist der Bereich, wo zwei Bereiche auf Zeit oder dauerhaft durch eine von Menschen geschaffene Grenze getrennt werden.

Gibt es nun Konflikte in dieser Nachbarschaft, so ist diese Arznei von unschätzbarem Wert! Die Grenze ist im Körperlichen dort, wo die Schleimhäute eine Grenze zum körperlich Inneren darstellt oder die serösen Häute die Organe in unserem Körper “trennen“. Die Austrocknung der Schleimhäute führt zu großem Durst, der als “Kuhdurst“ bezeichnet wird und im entsprechenden Fall ausschlaggebend für die Verordnung spricht.
Die für diese Arznei typischen Modalitäten (Verbesserungs- oder Verschlimmerungs-Umstände) sind folgende:

Bewegung verschlechtert!!! Ruhe, Stillhalten verbessert
Wärme / plötzliche Abkühlung verschlechtert Kälte / frische Luft verbessert
Berührung verschlechtert Druck bzw. das Liegen auf schmerzhaften Stellen bessert.

Der Patient reagierte sehr gut auf die für ihn individuell passende, homöopathische Arznei Bryonia alba. Darüber hinaus, dass seine Beschwerden sehr schnell und anhaltend besser wurden, hat er über ein neues innovatives Geschäftskonzept nachgedacht. Jetzt blickt positiv in die Zukunft, denn Wirt zu sein ist seine Passion! Die Flexibilität in der Herangehensweise in der Krisensituation macht ihn innerlich sicherer und freier.