Nux vomica nur ein „Katermittel“ ?
Schon in den Anfängen meiner Homöopathie Ausbildung machte in diversen Bekanntenkreisen ein homöopathischer „Geheimtipp“ die Runde. Und zwar die besten Globuli für den „Tag danach“, damit war der Kater nach einer wilden Party gemeint. Manche waren so begeistert von der Wirkung, dass sie behaupteten, die Globuli immer mit dabei zu tragen.
Ja und das stimmt auch! Es ist eben diese spezielle „Kater-Indikation“ (Einsatz zum Heilzweck), die bekannt ist oder von der man evtl. schon mal gehört hat.
Aber warum ist das so? Und was steckt dahinter?
Die Brechnuss, Krähenauge oder „Strychnos nux vomica“ ist ein Strychnin haltiger Baum der in Indien und Sri Lanka heimisch ist. Er gehört zu der Pflanzen-Familie der Loganiaceae. Das sind meist Bäume, Sträucher oder Kletterpflanzen, die gemeinhin wegen ihres Alkaloids, dem Strychnin, bekannt sind. Aus manchen Arten dieser Pflanzenfamilie wird z.B das südamerikanische Curare-Pfeilgift hergestellt. Hierzulande war Strychnin lange Zeit das Rattengift der Wahl und wird bis heute immer noch als Gift assoziiert.
Das homöopathische Arzneimittel Nux vomica ist vorrangig das Mittel für viele der Zustände, die mit dem „modernen Leben“ zusammenhängen. Was ist daran so bezeichnend?
Es entspricht dem Puls der Zeit, dem schnell getakteten Lebensstiel, den die Geschäftswelt mit Wachstum, Effizienz und Leistungsdruck repräsentiert. Man will und muss sich unglaublich anstrengen, um Erfolg zu haben. Da ist der hohe Ehrgeiz und Anspruch gepaart mit immenser Genauigkeit und großer Anstrengung. Der permanente Drang etwas zu erreichen und dadurch die Effektivität steigern zu müssen führt zu Ungeduld und dem Gefühl „nie gut genug“. Immer fanatischer, wird bis weit über das Leistungsvermögen hinaus geschafft und organisiert. Innere Anspannung, Erregbarkeit und Eile steigert sich zu Gereiztheit. Emotionale Ausbrüche können der Wut und dem Zorn Erleichterung schaffen, besonders wenn „irgendetwas nicht schnell genug „vorwärts geht“. Um seinen Zielen ein Stückchen näher zu kommen werden sitzende Tätigkeit, Bewegungsmangel, unregelmäßige Mahlzeiten, Fastfood und Aufputschmittel in Kauf genommen. Um den „ausgleichenden“ Spaß zu erleben kommt es zum Alkoholkonsum. Viele Zivilisationskrankheiten, haben ihre Ursache im Stress und einem ungesunden Lebensstil. Dann werden wiederum eine Menge Medikamente benötigt. Der Kreislauf von Hetze, Stress und dem Verlangen durch Stimulantien kurzfristig entspannen zu können, nimmt seinen Lauf.
Und hier sind wir mitten in der Energie der Nux vomica!
Die Verschlimmerung durch ausschweifenden Lebenswandel! Gemeint ist damit ein Zuviel von: Kaffee, Tabak, Gewürzen, Alkohol, Drogen, Völlerei, Abführmitteln und Medikamenten, auch diejenigen für eine Narkose.
Die Symptome sind eben jene, die wir gemeinhin als „verkatert“ oder „Kater“ bezeichnen. Es sind unter anderem jene Vergiftungszustände, die durch Alkohol, Gifte, Beruhigungsmittel, Aufputschmittel und Medikamente auftreten können. Der „Nux vomica-Zustand“, kann sich auf allen Ebenen, geistig (im Denken), emotional und körperlich zeigen!
Es entspricht dem schockartig entstandenen Gefühl:
Die Zeit drängt, mit großer Ungeduld. Überempfindlichkeit gegen äußere Eindrücke.
Schwindel, mit momentanen Bewusstseins Verlust.
Typisch ist ein Verkrampfungsschmerz:
Krämpfe, Krampfzustand, sowohl ein Gefühl von erfolglosem Drängen (Gefühl nicht fertig zu werden): zum Stuhlgang, zur Harnentleerung, Aufstoßen oder Erbrechen!
Kampfzustand, kann sich nicht entspannen. Reizbar und ungeduldig. Gereizt mit Verlangen nach Stimulantien, z.B. braucht Kaffee um zu arbeiten und Alkohol um zu schlafen.
Kann nach 3 Uhr bis gegen Morgen nicht mehr einschlafen, fühlt sich beim Erwachen erbärmlich. Allgemein Beschwerden durch Schlafverlust. Immer große Ungeduld, hat das Gefühl alles sei dringend, kann keine Beschränkung ertragen.
Ist ehrgeizig, dauernd unter Spannung. Unermüdliche Arbeiter, die von ihrer Arbeit besessen sind und überarbeitet.
Unabhängig anspruchsvoll, kritisch gegenüber anderen sie haben keine Sekunde zu verschenken. Aufbrausend, leicht gereizt und beleidigt – Streitsüchtig und nachtragend.
Hahnemann empfahl: „Diese große homöopathische Arznei sollte nur verabreicht werden, wenn sie dem zugrunde liegendem nervösen und gereizten Temperament entspricht!“
Nux.-v. ist wahrlich ein großes Polychrest (in vielerlei Hinsicht ein oft verwendetes ähnliches homöopathisches Medikament).
So ist es häufig bei Erkältungen, ganz zu Beginn angezeigt, das anfallsweise Niesen und Verstopfungsgefühl der Nase sei hier nur kurz erwähnt. Oder auch bei Blasenentzündungen die mit erfolglosem Drängen und Krämpfen einhergehen. Die Verstopfung mit häufigem, erfolglosem Stuhldrang.
Die Übelkeit, Unfähigkeit zu Erbrechen mit Schwindel und dem berstenden Kopfschmerz – den „Kater-Symptomen“ können nun vielleicht umfassender in das Arzneimittelbild eingeordnet werden.
Kurzes Fallbeispiel:
Die Frau des Geschäftsführers eines großen Handwerksbetriebes rief mich an um für ihren Mann nach einer Knie Operation ein paar Globuli zu bekommen. Sie war schon des Öfteren wegen akuter Beschwerden bei mir, ihren Mann kannte ich jedoch noch nicht.
Er war inzwischen wieder zu Hause, eine Reha stand an und er war voller Ungeduld wie es jetzt weiter geht, wenn er nicht in dem Betrieb sei. Aber besonders dass die Reha sich um eine Woche verzögert hat, verschlechterte seine Laune. Er sei nur am Schimpfen, dass nichts vorwärts gehen würde. Er flucht und regt sich auf wie das „HB-Männchen“ im Stau. Die körperlichen Beschwerden waren ein Schwindel, der beim Aufsetzen schlimmer wurde und teilweise immer noch mit Übelkeit verbunden war. Die Übelkeit hatte er auch besonders schlimm gleich nach dem Aufwachen aus der Narkose. Ständig wollte er erbrechen, aber es kam nichts und das quälte ihn sehr! Sein Magen schmerzt und seine Verdauung ist gestört. Auch da klagt er, dass nichts weiter geht.
Ich wusste, dass er der Homöopathie sehr kritisch gegenüber stand und es eher als Hokuspokus abtat, wenn seine Frau zu mir kam. Darum fragte ich sie schon am Telefon, ob er überhaupt selber Globuli haben möchte. Sie meinte er wäre selber so am Ende wegen des Schwindels, dass er es gerne versuchen möchte. Also verordnete ich die potenzierte Brechnuss. Nach ca. 6 Wochen bekam ich einen Anruf, von ihm persönlich, was mich doch sehr überraschte
„Nach den Globulis (Nux vomica) war der Schwindel sehr schnell weg. Mein Lebensgefühl ist wieder eher wie früher, als ich noch keinen Stress mit dem eigenen Betrieb hatte. Ich bin innerlich ausgeglichen. Ja und insgesamt habe ich auch beim Essen und Trinken eine Veränderung festgestellt. Ich brauche nicht mehr so unangemessen schlemmen, es ist nicht mehr so eine gierige Völlerei. Auch da kann ich wieder Maßhalten!“
„Die Ungeduld verlangt das Unmögliche, nämlich die Erreichung des Ziels ohne die Mittel.“
Von Georg Friedrich Wilhelm Hegel – Philosoph 1770-1831